THE FUNDRAISING INSTITUTE

Österreich hat enormen Aufholbedarf bei technischen Studien

Das Jahr 2003 wird für die Regierung auf vielen Ebenen nicht leicht. Es werden zunehmend die Fehler der Vergangenheit ans Licht kommen, deren Korrektur nicht ohne drastische Maßnahmen, die eine sichtbare Wirkung erst in zehn Jahren ergeben, möglich sein werden.

So gilt für die Universitäten, dass es mit der Umsetzung des Universitätsgesetzes 2002 auch um ein Einschleifen der vor allem in den Jahren 1991 bis 1998 explodierenden Bildungskosten geht. Sie sind in diesem Zeitraum um 74% gewachsen. Österreich liegt mit den Ausgaben pro Student tatsächlich im vordersten Feld, nur die USA, Schweden, Kanada und die Schweiz geben noch mehr Geld für die Universitäten aus. Wenn man die Kosten für einen Absolventen vergleicht, dann liegt Österreich durch die langen Studienzeiten mit fast 75.000 Euro pro Absolvent an einsamer Spitze.

Das Universitätsbudget für die Jahre 2004 bis 2006 ist im Gesetz bereits festgeschrieben.

Man weiß heute schon, dass dieses nicht reicht, um den gegenwärtigen Bedarf der Universitäten decken zu können. Hinzu kommt eine ganze Reihe von kostenwirksamen Unsicherheiten. Auch wurde im Gesetz nicht Rücksicht genommen auf strategische Vorhaben der Universitäten, die bereits in Umsetzung sind und einen erhöhten Mittelbedarf erfordern. Über diese soll bekanntlich erst ab 2006 gesprochen werden. So manche Universität wird ihre strategische Ausrichtung stoppen müssen, da die in Aussicht stehenden Budgetmittel diese in weiterer Folge nicht mehr finanzieren -es kann zu echten Entwicklungsstörungen kommen. Universitäten sind daher verstärkt auf Partnerschaften angewiesen, um zusätzliche Finanzierungsmittel für die Umsetzung ihrer Vorhaben zur Verfügung zu haben.

Die künftige Entwicklung von Universitäten wird ganz entscheidend von der Einbindung der Region abhängig sein. Zusätzliche Finanzmittel für die Universität zu akquirieren wird eine große Aufgabe des zukünftigen Managements sein.

Technisch-naturwissenschaftliche Universitäten sollten trotz; der sich abzeichnenden Finanzdürre gute Karten in der Hand haben. Die nationale und internationale Wirtschaft braucht Absolventen, der Bedarf ist steigend. Die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Forschungsquote zu steigern. Die F&E-Quote von 2,5% des BIP in drei Jahren stellt eine echte Technologieoffensive dar. Würde die Regierung nicht eine entsprechende Förderung von natur-/ingenieurwissenschaftlichen Universitäten vorsehen, ist dieses Vorhaben, das im Jahr 2010 eine Quote von 3% vorsieht, kaum glaubhaft. Denn Österreich hat in der Ingenieurdichte einen enormen Aufholbedarf. Es liegt im Reigen der Industriestaaten mit den Niederlanden an letzter Stelle. Lediglich 350 von 100.000 erwerbstätigen Österreichern zwischen 25 bis 34 Jahren sind Ingenieur- bzw. Naturwissenschaftler. Zum Vergleich: Irland 1400, Großbritannien 1300, USA 940.

Man muss auch erkennen, dass Unternehmen nicht aufgrund von niedrigen Lohnkosten ihre Standorte wählen. Firmen im Technologiebereich siedeln sich dort an, wo sie die besten und kompetentesten Mitarbeiter bekommen können. Es ist daher höchste Zeit, dass auch der Staat im Bildungswesen Prioritäten im Sinne einer gesunden Volkswirtschaft setzt und Regelsysteme findet, die bedarfsorientiert die Ausbildung beeinflussen. Andernfalls laufen wir Gefahr zusehen zu müssen, wie High-Tech-Firmen das Land verlassen bzw. Österreich nicht als Standort wählen. Es nützt nichts, dass Österreich ausgezeichnete Wissenschaftler und Techniker hat, wenn sie nur einzelne Mosaiksteine eines gesamt geforderten technischen Ausbildungsspektrums sind.

Der Mangel an Absolventen naturwissenschaftlicher und technischer Studiengänge macht sich in allen Vergleichen von Forschungskennzahlen mit den besten fünf EU-Ländern bzw. dem EU-Durchschnitt bemerkbar. Mit Ausnahme des Anteils der Klein- und Mittelbetriebe im verarbeitenden Gewerbe mit kooperativer Innovation weist unser Land keine Kennzahl auf, die besser als der EU-Durchschnitt ist. Ganz drastisch die Anzahl der Hochtechnologiepatente beim Europäischen Patentamt pro Einwohner: Diese liegt in Österreich bei 9,8; der EU-Durchschnitt liegt bei 17,9; die EU-Top-5 kommen auf 38, Auch beim Anteil der Marktneuheiten am Umsatz liegen wir mit 5,6 nur knapp über der Hälfte der EU-Top-5. Unsere Unternehmungen leben offensichtlich mit Gürtel und Hosenträger, und Sicherheit wird im Finanzgeschäft mehrmals unterstrichen. Nur so ist es zu verstehen, dass der Anteil des Risikokapitals im Hochtechnologiebereich nur ein Zehntel des EU-Schnitts bzw. rund ein Zwanzigstel der EU-Top-5 beträgt.

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Pöhl
Rektor der Montanuniversität Leoben
Leserbrief in Die Presse, 28.12.2002